Mittwoch, 7. Oktober 2015

"Enna panreenga?" ("What are you doing?") Ja, Wo treiben wir uns eigentlich denn den ganzen Tag rum?


Wir sind inzwischen schon seit genau 8 Wochen hier in Indien, und es ist Wahnsinn wie schnell die Zeit doch vergeht. Da wir in den vergangenen Blogeinträgen viel darüber geschrieben haben wie wir bestimmte Dinge in Indien erleben dürfen, wird es jetzt mal Zeit unseren Alltag zu schildern, und was wir hier täglich eigentlich machen wenn mal keine Hochzeit oder ein Silver Jubilee ansteht.

Die Woche beginnt für uns im Office. Dort übernehmen wir verschiedene Dokumentationsarbeiten oder bringen uns bei laufenden Projekten mit ein. Momentan stehen die Vorbereitungen für den Children’s Day an, welcher am 14. November stattfindet. An diesem Tag werden Kinder aus 14 Nachhilfezentren in den Projekt Dörfern zu uns kommen und wir werden den Tag gemeinsam feiern. Im Voraus werden wir in die Dörfer fahren und mit ihnen kleine Competitions machen. Die Siegerehrung findet dann am Children’s Day statt, wir wurden jedoch gleich darauf hingewiesen bei den Spielen darauf zu achten, dass jedes Kind etwas gewinnt. Mit diesen Anweisungen haben wir uns vergangene Woche die verschiedensten Spiele überlegt - vom einfachen Weitsprung bis hin zum komplexeren Scrubble. Zudem werden wir noch einen Vortrag zu dem Thema „Children’s Rights and and child abuse“ halten, welchen wir in den nächsten Wochen vorbereiten werden.

Jeden Dienstag fahren wir in ein Heim für traumatisierte und geistig behinderte Frauen von der Straße. Dies ist für uns jedes Mal eine neue Herausforderung, der wir uns aber gerne stellen. Es ändert sich wöchentlich wie viele der Frauen an unserem vorbereiteten Programm mitmachen und zudem stellt die Sprache eine Barriere dar. Die meisten Frauen sprechen kein Englisch und unser Tamil hält sich auch (ganz optimistisch könnte man jetzt anstatt „auch“, „noch“ sagen) in Grenzen. Trotz allem gelingt es uns meistens die Frauen über wilde Gesten zu erreichen.
Mit ihnen haben wir schon Stretching Übungen und Yoga praktiziert, wurden aber auch künstlerisch aktiv indem wir Mandalas gemalt oder Kartoffeldruckbilder erstellt haben. Es ist immer schön die Frauen trotz ihrer Vergangenheit lächeln zu sehen, und vor allem das Spiel „Der Fuchs geht rum“ mit den umgedichteten Versen „The fox goes round, the fox goes round, try to catch him and sit down“ traf bei ihnen auf riesige Begeisterung. 




Mittwochs dürfen wir an einem Nähkurs teilzunehmen. Dieser bietet jungen Frauen die Möglichkeit Nähen zu lernen und somit eigenständig Geld  verdienen zu können. Nachdem wir schon unsere erste „Baby-Chudidar“ genäht haben sind wir momentan dabei eine Chudidar für uns zu nähen.
Abends verbringen wir unsere Zeit mit den Mädchen aus dem Clare Bhavan Kinderheim. Da die Schule von den Kindern viel verlangt, sitzen sie oftmals auch noch abends an Schulaufgaben, die sie erledigen müssen. Dabei unterstützen wir sie jedoch gerne und lesen ihnen englische Geschichten vor. Manchmal können wir mit ihnen aber auch die freie Zeit nutzen und Spiele mit spielen.

Den Donnerstag verbringen wir an einer katholischen Privatschule, die nicht zu GSHEC dazu gehört. Trotzdem wurden wir gefragt, ob wir einen Tag in der Woche „Spoken Englisch Classes“ unterrichten können. Bis jetzt waren wir jedoch erst einmal dort, da den ganzen September über die Prüfungszeit, und danach die einwöchigen Ferien anstanden.

Freitags steht auf unserem Plan „Field Exposure“. Das bedeutet, wir dürfen mit den Officemitarbeitern in verschiedene Dörfer fahren um beispielsweise Nachhilfezentren, aber auch verschiedene Selbsthilfegruppen zu besuchen. 



Seit Ende September haben wir auch dreimal die Woche Sprachunterricht, den wir montags, mittwochs und freitags besuchen. Es ist wirklich gut zumindest die Basics in Tamil zu verstehen. Wir haben uns jedoch entschlossen uns nur auf das Sprechen, nicht auch auf die Schrift zu konzentrieren. Den Unterricht bekommen wir in einem Technical Institute hier in Karamadai, bei der vermutlich herzlichsten Lehrerin der Welt. Wir sind sehr froh sie kennen gelernt zu haben und freuen uns jedes Mal auf den Unterricht – auch wenn das Vokabellernen leider noch etwas zu kurz kommt.

Das Wochenende beginnt samstags morgens mit dem, von uns nur bedingt geliebtem Kleiderwaschen (bei gefühlten 40°C in der Sonne) und dem Zimmer putzen. Nachdem wir diese Arbeiten erledigt haben, gehen wir auf den Markt um unsere Einkäufe für Sonntag zu erledigen, da wir an diesem Tag für uns selbst kochen. Den Rest des Tages dürfen wir mit den Kindern aus dem Heim verbringen.
Der Sonntag ist unser freier Tag, welchen wir je nach Lust und Laune gestalten können.
Somit hat uns auch hier im fernen Indien eine tägliche Routine erfasst und ein Gefühl von Heimat hat sich eingestellt!

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Indian Wedding



Unser erstes Mal: eine indische Hochzeit miterleben!

Donnerstag erst die Einladungen verteilt, stehen wir vier Tage später schon in der großen Halle, wo die Hochzeit stattfindet.

Das Hochzeitspaar selbst kennen wir nicht. Die Schwester des Bräutigams arbeitet jedoch bei uns im Office, aus dem auch sämtliche Mitarbeiter eingeladen wurden.
Wir haben uns natürlich riesig über die Einladung gefreut und begeistert angenommen. So eine richtige indische Hochzeit stellten wir uns doch ganz schön anders vor, zu denen, die wir aus Deutschland kannten. 


Montagmorgens stehen wir also auf, frühstücken und machen uns daran, unsere Sarees anzuziehen. Wir probieren es selbst und sind eigentlich recht zufrieden mit dem Ergebnis. Also gehen wir ins Office um zu klären, wie wir dort hinkommen.
Gerade wird dort der morgendliche Chai verteilt. Unsere Köchin sieht uns und freut sich total, uns im Saree zu sehen. Dann fängt sie an, an unseren Sarees zu zupfen und zu ziehen, denn so ganz korrekt waren sie scheinbar doch nicht gebunden.

Endlich perfekt eingekleidet machen wir uns auf den Weg. Auf der Fahrt versuchen wir noch schnell einige Vokabeln auf Tamil zu lernen, die wir verwenden könnten.
Die Feier fand in einem Hotel in der Nachbarstadt statt.
Wir betreten die Halle, die mit hundert Plastikstühlen bestuhlt ist. Unser Fahrer führt uns nach ganz vorne, wo unsere Bekannte sitzt. Es war uns ein wenig peinlich, in die erste Reihe gesetzt zu werden, wo wir das Hochzeitspaar ja eigentlich gar nicht kannten. Als seien wir Ehrengäste…

Das Hochzeitspaar
Kurze Zeit später tritt das Hochzeitspaar zusammen mit ihren Trauzeugen ein. Ohne großes Drumherum oder Musik setzen sie sich auf ihre Plätze in der Mitte.
Die Braut tägt einen wunderschönen Saree in pink und blau. Dieser ist fein bestickt und mit Perlen verziert. Ein weißer Schleier verhüllt ihr Gesicht. Durch den Wind, den die Ventilatoren an der Decke verursachen, wird er ihr ständig ins Gesicht geweht.
Die Haare trägt sie kunstvoll hinten zusammengesteckt, einige Zöpfe sind in Schlaufen darum gelegt. Das Tollste ist allerdings  ihr Schmuck: Gold mit pinken Details. Sie tägt ein Kettchen mit Brosche um die Hüften, pinken Nagellack an Händen und Füßen und jede Menge Armreifen am rechten Arm.
Dazu noch richtig tolle Ohrringe, die durch feine Kettchen mit den Broschen am Hinterkopf verbunden sind. Und natürlich auffällige Ketten: groß, gold und sehr edel.

Ein Sprecher hält eine lange Rede, in der er mehrere Bibelstellen zitierte. Wir können die Rede leider nicht verstehen, da sie natürlich auf Tamil ist, aber den Reaktionen der Anwesenden war zu entnehmen, dass sie wohl sehr gut und lustig war.
Nun tritt das Brautpaar auf die Bühne und legt das Ehegelübde ab.

Nun sind wir uns relativ sicher, dass es keine Liebeshochzeit, sondern eine arrangierte Ehe ist. Braut und Bräutigam, schauen sich kaum in die Augen, berühren sich fast gar nicht und verhalten sich eher schüchtern zueinander.

Der Bräutigam legt seiner Braut eine Kette um den Hals, sie steckt ihm einen Ring an den Finger. Die Kette legt sie nicht mehr ab, bis ihr Mann stirbt.
Danach muss das Brautpaar, sowie einige Beamte mehrere Dokumente unterzeichnen.

Es wird eine Schlange gebildet, um den frisch Getrauten zu gratulieren und Fotos zusammen zu machen. Wir warteen bis alle durch waren. Währenddessen lernen wir viele Verwandte kennen, die sich alle interessiert mit uns unterhalten.
Auch wir gratulieren also, versuchen es sogar auf Tamil: Vaalthukkal – Herzlichen Glückwunsch.

Wir gehen ein Stockwerk tiefer, wo Essen verteilt wird. Als wir fast fertig sind treffen die anderen Officemitarbeiter ein. Sie konnten sich nicht den ganzen Tag freinehmen, sondern kommen lediglich zum Lunch vorbei.
Als alle fertig mit Essen sind, machen wir uns auf den Heimweg. Wir fragen unsere Mentorin, ob denn noch genug Platz für uns im Auto sei. Darauf sage sie: „No space, but we’ll arrange.“ So quetschten wir uns also zu elft ins Auto und fahren nach Hause.