Mittwoch, 4. November 2015

Ein Leben in Indien. Wie sieht das aus?


„Wie hätte meine Kindheit ausgesehen, wenn ich eines von den 18 Millionen Kindern gewesen wäre, die jedes Jahr in Indien zur Welt kommen?“


Ammu ist eines dieser Kinder. Sie lebt hier bei uns im Kinderheim Clare Bhavan. Sie hat noch einen Bruder, der in einem anderen Kinderheim für Jungs wohnt. Ihren Vater sieht sie in den Ferien oder über Feiertage.
Zwölf Jahre ist sie alt und geht in die siebte Klasse. Ihr Lieblingsfach ist Englisch – und das merkt man auch, denn sie spricht sehr gut Englisch. Mit viel Freude hat sie uns erzählt, wie ein normaler Tag für sie so aussieht.


5:30 Uhr 
Aufstehzeit! Lange Schlafen gibt’s hier nicht. Um halb sechs klingelt Ammus Wecker und sie geht runter zum Zähneputzen.

6:00 Uhr
Alle versammeln sich zum gemeinsamen Morgengebet. Dies zeigt wieder einmal deutlich, welche eine bedeutsame Rolle Religion in Indiens Alltag spielt. Da die Kinder in einem Convent Hostel wohnen, wird hier christlich gebet. Ammu ist eines der drei katholischen Kinder im Hostel.
Aber auch in hinduistischen Familien gehören Gebete fest in den Tagesablauf.

6:10 Uhr
Trotz der frühen Uhrzeit macht sich Ammu zusammen mit den anderen Kindern auf in die Study Hall, einen großen Raum in dem gelernt und Hausaufgaben gemacht wird.

7:15 Uhr
Die morgendliche Dusche wartet! Das Wasser kommt aber nicht von oben aus einem Duschkopf, sondern unten aus einem Hahn in einen Eimer. Von dort schöpft sich Ammu mit einem kleinen Eimer das Wasser über den Kopf.
Außerdem flechten sich die Mädchen die Haare zu seitlichen Zöpfen, die sie sich zu Affenschaukeln hochstecken: die typische Schulfrisur.

8:00 Uhr
Endlich gibt es Frühstück. Wenn man morgens schon so viel geschafft hat, freut man sich umso mehr aufs Essen.

8:30 Uhr
Nun macht sich Ammu zusammen mit den anderen Mittelstufen Schülern aus dem Hostel auf den Weg zur Schule. Diese ist am anderen Ende von Karamadai, deshalb müssen sie etwa zwanzig Minuten laufen.

9:00 Uhr
Schulbeginn! Auch in Indien gibt es die Schulpflicht für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren. Kinder können entweder private oder governmental Schools besuchen. Auf welche Schule ein Kind geht, kann man leicht an der Schuluniform erkennen. Öffentliche Schulen haben normalerweise eine dunkelrote Uniform mit beigen Schals für die Mädchen. Privatschulen haben jeweils eigene Uniformen in unterschiedlichsten Farben. Ammu trägt allerdings die rote Uniform der governmental Schools.

13:00 Uhr
In der Mittagspause essen die Kinder ihr von Zuhause mitgebrachtes Essen.

13:30 Uhr
Weiter geht der Unterricht…
Jeder Schüler kann wählen zwischen Englisch und (hier in Tamil Nadu) Tamil Medium. Das bedeutet, man hat seine kompletten Fächer auf der jeweiligen Sprache. Ammu lernt im Englisch Medium. Sie hat Mathe, Englisch, Tamil, Kunst, Musik, Science, Social und eine Art spielerischer Sportunterricht.

16:10 Uhr
Nach Schulende macht sich Ammu mit den anderen Mädchen auf den Heimweg. Nur die älteren Schüler, die die Oberstufe, hier „Plus Two“ genannt, besuchen müssen bis um halb sechs in der Schule bleiben.

16:30 Uhr
Zuhause angekommen, wird erstmal die Schuluniform gegen normale Kleidung getauscht.

17:00 Uhr
Es gibt Snacks. Und natürlich einen Chai. Die Snacks sehen immer unterschiedlich aus. Mal Kekse, mal typisch indisch irgendwelche frittierten Teigschnecken oder ähnliches.
Ansonsten wäscht Ammu ihre Kleidung, hilft im Haushalt oder hat ein wenig Freizeit.


18:00 Uhr
Nun geht das Lernen weiter und Ammu macht ihre Hausaufgaben. An manchen Abenden kommen wir in dieser Zeit auch vorbei und machen Spiele oder Bastelaktionen mit den Kindern. Dies kollidiert allerdings sehr oft mit ihren Aufgaben.

19:45 Uhr
Es ist wieder Gebetszeit. Die Kinder beten selbstständig, ohne dass Erwachsene dabei wären. Ein Mädchen spricht das Gebet vor, die anderen sprechen nach.

20:15 Uhr
Das gemeinsame Abendessen steht an. Die Kinder sitzen dabei im Kreis auf dem Boden und essen mit dem Händen (meistens Reis).

20:30 Uhr
Ammu muss nun weiter lernen. Für die jüngeren Kinder im Kinderheim heißt es allerdings schon „Gute Nacht!“.

9:00 Uhr
Jetzt neigt sich auch Ammus Tag dem Ende zu und sie macht sich Bett fertig. Ihr Zimmer teilt sie sich mit neun anderen Mädchen.

9:30 Uhr
Schlaf gut! Sweet dreams! Nalla thongu!